Das neue Jahr hat begonnen und nun können Sie sich auf Ihre neuen finanziellen Vorsätze konzentrieren. Nehmen Sie sich vorher allerdings einen Tag, um auf die Finanzen des letzten Jahres zu blicken. Auch Personen, die aktuell noch keine Steuererklärung abgeben müssen wie beispielsweise Studenten, könnten sich dadurch Geld zurückholen. Wir erklären Ihnen hier kurz, was Sie dabei beachten müssen.
Inhaltsverzeichnis
Was wird benötigt?
Für die Steuererklärung benötigen Sie den Personalausweis oder Reisepass, Ihre Steuernummer und Steueridentifikationsnummer und ihre Kontoauszüge. Vom Arbeitgeber bekommen Sie zum Jahresanfang Ihre elektronische Lohnsteuerbescheinigung.
Wenn Sie mit dem PKW oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren, schreiben Sie sich die Tage auf, die Sie zur Arbeit gefahren sind und die gefahrenen Kilometer. Gehören Sie vielleicht einem Berufsverband an, zum Beispiel einer Gewerkschaft, brauchen Sie auch diesen Nachweis. Haben Sie sich vielleicht Arbeitsmittel selbst gekauft oder Berufsbekleidung, die Quittungen dafür aufbewahren. Ihre Kinder besitzen auch eine eigene Steueridentifikationsnummer und wenn sie in Betreuung sind, verwahren Sie die Zahlungsnachweise.
Die Sonderausgaben
Zu den Sonderausgaben wie Kranken- und Pflegeversicherung, Unfallversicherung, KFZ- und Privathaftpflicht oder über den Vertrag einer Lebensversicherung hat das Finanzamt keine Kenntnis, auch nicht darüber, ob Sie während des Jahres großzügig etwas gespendet haben.
Das Finanzamt weiß auch nicht, ob sie im abgelaufenen Jahr für eine Weile in einem Krankenhaus waren, Arztkosten selbst bezahlt haben, vielleicht sogar die Preise für Medikamente aus der eigenen Geldbörse beglichen haben, ob Sie in einer Kur waren, oder es vorziehen, einen Heilpraktiker aufzusuchen. Vielleicht brauchten Sie auch einfach nur eine neue Brille.
Setzen Sie das Finanzamt darüber in Kenntnis, dass Sie aufgrund eines Lecks Handwerker im Haus hatten und bei einem Kurzschluss in der Elektrik der Wohnung einen Elektriker anrufen mussten. Haben Sie vielleicht noch aus alten Verträgen Zinseinkünfte gleich welcher Art, werden Sie bemerkt haben, dass Ihnen davon gleich fünfundzwanzig Prozent abgezogen werden und noch ein Betrag für die Kirchensteuer obendrauf.
Kurzer Blick nach Schweden
In Deutschland herrscht in Sachen Einkommen und Schulden eine Heimlichtuerei, die sonst kein Beispiel findet. Selbst Freunde reden nicht offen über Geld. In Schweden gucken Sie einfach in den öffentlich zugänglichen Steuerkalender und Sie erfahren, was Ihr Nachbar verdient und ob er Schulden hat. Sie sehen allerdings nicht, woher das Geld kommt und für was die Schulden gemacht worden sind. Gegen eine geringe Gebühr werden Ihnen die Informationen vom Finanzamt gerne übersichtlich aufgearbeitet. Für ein paar Kronen Gebühr wird Ihnen auch mitgeteilt, ob Ihr Nachbar sich was hat zu Schulden kommen lassen und eine Vorstrafe besitzt. Das System wird auch zur Partnerwahl eingesetzt. Wenn das Blind Date den Namen und den Wohnort verrät, lässt sich schnell ermitteln, ob er oder sie eine gute Partie ist oder in Vermögensangelegenheiten gelogen hat.
Zurück zum Deutschen Fiskus
Das Finanzamt gewährt jedem Arbeitnehmer einen Pauschbetrag in Höhe von 1000 Euro. Was heißt das konkret? Sind die nachgewiesenen Werbungskosten (Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen) höher als 1000,00€ ergibt sich eine Steuerrückzahlung. Der Pauschbetrag wird bereits beim monatlichen Lohnsteuerabzug berücksichtigt.
Beispielrechnung: Ein Arbeitnehmer fährt an 200 Tagen mit seinem PKW zu seiner Arbeitsstelle, einfache Entfernung 25km.
Daraus ergibt sich: 200 Tage x 25 km x 0,35€= 1750,00€
Schon ergibt sich eine Rückerstattung.
Einfach machen und nichts verschenken
Die Frist zur Abgabe einer Steuererklärung ist der 31. Juli des Folgejahres. Für das Jahr 2020 wurde die Frist verlängert bis zum 01. November 2021. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer haben mehr als ein halbes Jahr Zeit, die Steuererklärung für das abgelaufene Jahr beim Finanzamt einzureichen. Wenn Ihnen Freunde und Bekannte nicht weiterhelfen können, wäre eine Steuerberaterin oder ein Steuerberater die erste Wahl. Über 11 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland reichen beim Finanzamt ihre Steuererklärung nicht ein. Knapp 90% von ihnen könnten sich Jahr für Jahr über eine Steuererstattung freuen, die im Durchschnitt 935 Euro betragen würde. Das reicht bei stetig steigenden Energiekosten für viele Kubikmeter Gas, eine Jahresnullrunde in Sachen Kilowatt für die Wallbox und etliche Litern Benzin.
Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Erstattungen
Mit dem Beschluss vom 08.07.2021 (Az. 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß §233a AO verfassungswidrig ist, sofern zur Zinsberechnung für die Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5% zugrunde gelegt wird.
Was heißt das?
Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag zwischen vorab entrichteter Steuer (z.B. Lohnsteuer) und der im Steuerbescheid festgesetzten Steuer (z.B. Einkommensteuer), ist dieser Unterschiedsbetrag zu verzinsen. Allerdings beginnt die Verzinsung erst dann, wenn es zu einer verspäteten Abgabe der Steuererklärung gekommen ist.
Wann beginnt die Verzinsung?
Die Verzinsung beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Die Einkommensteuer entsteht für einen Großteil der Steuerpflichtigen mit Ablauf des Kalenderjahres am 31.12. Der Zinslauf für die Einkommen- und Körperschaftssteuer beginnt 21 Monate nach dem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung überwiegen. Maßgeblich für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, subtrahiert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen. (Unterschiedsbetrag)
Der §233a AO regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Die Vollverzinsung betrifft den Zeitraum zwischen der Steuerentstehung und ihrer Festsetzung. Die Zinsen betragen für jeden vollen Monat 0,5%, sodass daraus ein Jahreszinssatz von 6% wird. Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 08.07.2021 kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Verzinsung von 6% pro Jahr legitim gewesen ist. Das ursprüngliche Ziel der Vollverzinsung war, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern der Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgelegt und fällig werden und ein Steuerschuldner, dessen Steuer spät festgesetzt würde, dadurch einen Zinsvorteil erlangen könnte. Die Vollverzinsung zulasten der Steuerpflichtigen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5% bis zum Ende des Jahres 2013 sieht das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß an.
Begriffserläuterung:
Die Abgabenordnung, abgekürzt AO, ist das elementare Gesetz des deutschen Steuerrechts. Da sich in ihr die grundlegenden und für alle Steuerarten geltenden Regelungen über das Besteuerungsverfahren befinden, wird die Abgabenordnung auch als Steuergrundgesetz bezeichnet.
Die Finanzkrise im Jahr 2008
Das Bundesverfassungsgericht ist der Überzeugung, dass der Zinssatz von 0,5% pro Monat spätestens seit dem Jahr 2014 nicht mehr gerechtfertigt ist. Nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 habe sich ein Niedrigzinsniveau entwickelt, dass mit üblichen Zinsschwankungen nicht erklärt werden könne. Lag der Basiszinssatz im Jahr 2008 noch bei über 3%, sank er im Jahr 2009 auf 0,12%. Seit Januar 2013 liegt er sogar im negativen Bereich. Aufgrund der Tatsache, dass sich der Diskontsatz in den fünfzig Jahren seines Bestehens zwischen 2,5% und 8,75% und sich der Basiszinssatz vor 2009 zwischen 1,13% und 3,32% bewegte, spricht das Bundesverfassungsgericht davon, dass dieses Zinsniveau zur Zeit nicht mehr Ausdruck üblicher Zinsschwankungen sei, sondern spätestens seit dem Jahr 2014 ein nachhaltiges und strukturelles Problem darstelle. Ein entsprechender Trend würde sich auch in der Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt zeigen.
Reaktion des Bundesverfassungsgerichtes
Das Bundesverfassungsgericht verpflichtet den Gesetzgeber bis zum 31.07.2022 eine Neuregelung des Zinsniveaus vorzunehmen. Die Neuregelung soll rückwirksam gültig sein auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 und soll alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide erfassen.